Wie lassen sich Stadtquartiere gezielt zu Vorreitern der Klimaneutralität entwickeln? Die Stadt Graz hat vier Pilotquartiere definiert, die bis 2030 klimaneutral gestaltet werden sollen. Das Forschungsprojekt KPQ Graz (Klimapionierquartiere Graz) begleitet zwei dieser Areale – das ÖBB-Ostbahnhof-Areal und das Smart City-Quartier Nord-West – mit tiefgehenden Analysen und strategischen Entwicklungsplänen.
Während am ÖBB-Ostbahnhof-Areal bereits ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt wurde, handelt es sich beim Smart City-Quartier Nord-West um das letzte Baufeld des größeren „My SmartCityGraz“ Projekts. Das bereits fertiggestellte Smart City Graz Quartier wird im Forschungsprojekt als Lernumgebung für die Potenzialanalyse der beiden Quartiere herangezogen. Es wird auf die Erfolgsfaktoren hin evaluiert, mit dem Ziel bewährte Maßnahmen weiterzuführen und neue Potenziale für künftige klimaneutrale Stadtentwicklungsprozesse zu identifizieren. Dabei liegt der Fokus auf den vier zentralen Handlungsfeldern Energie, Mobilität, Freiräume inkl. Klimawandelanpassung und soziale Nachhaltigkeit. Querschnittsthemen wie Digitalisierung, städtebauliche Rahmenverträge oder Zertifizierungssysteme für Quartiere werden dabei übergreifend berücksichtigt.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Beteiligung der Bürger:innen sowie der Einbindung von Projektentwicklern, Investoren und kommunalen Entscheidungsträgern. Die Analyseergebnisse dienen als Grundlage für ein integratives Machbarkeitskonzept für eines der beiden Quartiere, das auch einen Maßnahmenkatalog für eine nachhaltige Quartiersentwicklung definiert. Ziel ist es, nicht nur die Umsetzung nachhaltiger Lösungen in einem der beiden Quartiere voranzutreiben, sondern auch einen Aktionsplan zu entwickeln, der als Blaupause für zukünftige Projekte in Graz und anderen Städten dienen kann.
Das Projekt NUCLEUS (Nachhaltige Urbane Cluster für klimaneutrale, effiziente und umweltfreundliche Stadtentwicklung) setzt sich mit der Frage auseinander, wie positive Energiequartiere (PEDs) besser in bestehende urbane Energiesysteme integriert werden können. PEDs sind Stadtquartiere, die mehr erneuerbare Energie erzeugen, als sie verbrauchen. Derzeit werden sie vor allem in Neubauten umgesetzt, während Bestandsquartiere oft nicht berücksichtigt werden. Ein weiteres Hindernis ist der regulatorische Rahmen, der den überbetrieblichen Austausch von Strom, Wärme und Kälte erschwert.
Das Projekt NUCLEUS untersucht diese Herausforderungen und entwickelt Lösungen für lokale Energienetzwerke. Besonders relevant sind dabei die bevorstehenden Gesetzesänderungen des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) und des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWG), die zentrale Rahmenbedingungen für innovative Energiekonzepte setzen.
Das Grazer Klimapionierquartier „Tagger Areal“ dient als Modellquartier für die praktische Umsetzung: Das ehemalige Industriegebiet wird zu einem energieautonomen Geschäfts- und Kulturzentrum umgestaltet. Mit innovativen Technologien wie Grundwasserwärmepumpen, Kleinwasserkraftwerken und gebäudeintegrierter Photovoltaik wird dort ein intelligentes Energiesystem geschaffen. Zusätzlich prüfen angrenzende Unternehmen wie Saubermacher und Marcher Fleischwerke, wie sie durch komplementäre Last- und Erzeugungsprofile erneuerbare Energieüberschüsse gemeinsam nutzen können. Die Projektergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für zukünftige PEDs und können zur Skalierung nachhaltiger Quartiere in ganz Österreich beitragen.
Die Projekte KPQ Graz und NUCLEUS zeigen, dass die Kombination aus innovativen Energiesystemen, gezielten regulatorischen Anpassungen und partizipativer Stadtentwicklung entscheidend für klimaneutrale Stadtquartiere ist. Die Ergebnisse werden nicht nur zur Transformation von Graz beitragen, sondern auch wertvolle Erkenntnisse für andere Städte liefern, die sich auf den Weg zur Klimaneutralität machen.
Technologien und Innovationen für die klimaneutrale Stadt 2024
KPQ Graz:
NUCLEUS: