„nachhaltigen technologien“ 4|2019
1 CCS - Carbon Capture and Storage: Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff aus der Erdatmosphäre 2 Die Literaturangaben über die Menge Kohlenstoff in der Atmosphäre schwanken naturgemäß; dieser Wert ist ein guter Mittelwert 3 1 t Kohlenstoff (C) entsprechen 3,67 t CO 2 (Molekulargewicht von C: 12 g/mol, Molekulargewicht von CO 2 :44 g/mol) 4 https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlenstoffzyklus 5 250 kg Kohlenstoff (C) entsprechen 917 kg CO 2 (Molekulargewicht von C: 12 g/mol; Molekulargewicht von CO 2 : 44 g/mol) Die Natur hat über Millionen von Jahren in Biomasse gebundenen Kohlenstoff umgewandelt und dadurch Kohle-, Erdöl- und Erdgaslager geschaffen. Unsere Zivilgesellschaft hat seit Jahrhunderten Holz in Bau- teilen (Dachstühlen, Fenstern …) und Gebrauchsge- genständen (Möbel, …) gebunden und gelagert. Holz besteht zu ca. 50 % aus Kohlenstoff. Geht man von einem Mittelwert von 500 kg pro Festmeter Holz aus, bedeutet das, dass 1 fm Holz 250 kg Kohlenstoff enthält. Wird dieser Kohlenstoff als CO 2 gebunden, erhält man 917 kg CO 2 5 . Somit wird in 1 fm Holz etwa 1 Tonne CO 2 gespeichert. Die Preise für europäische CO 2 -Emissionszertifikate könnten sich für die Jahre 2019-2023 bei durchschnitt- lich 35 bis 40 € pro Tonne einpendeln; politisch gefordert wird ein wesentlich höherer CO 2 -Preis von bis zu 150 €/t. Im Juli 2019 lag der Preis bei 29 €/t. Somit liegt auch der CO 2 -Wert von Hackgut bei ca. 30 €/m³ und damit über dem derzeitigen Handelspreis von 20 – 25 €/m³. Dadurch ergibt sich die Situation, dass Forstwirte auch 30 €/m³ erhalten könnten, um das Hackgut einzugraben statt es zu verbrennen. Dabei wäre aber sicherzustellen, dass es zu keiner Methanbildung (Deponiegas) kommt und eine Verkohlung eingeleitet wird. Am Biomassehof von Tobias Ilg in Dornbirn wird dies praktiziert. Seit 2015 wird in diesem Betrieb mit einem Holzgas-Kraftwerk Strom und Wärme aus unbehandel- ter Biomasse (Waldhackgut) erzeugt. Als Nebenprodukt wird zusätzlich Biokohle produziert, als pulverförmiger Staub ausgeschleust und in der Landwirtschaft als Bodenverbesserer eingesetzt (www.biomassehof.at ). Fazit Wir könnten also Kohle in Australien, China und den USA abbauen, verbrennen und das dabei entstehende CO 2 in Österreich wieder durch Photosynthese binden und als Holzkohle eingraben. Das alles rechnet sich betriebswirtschaftlich – aber ist unser Wirtschaftssys- tem wirklich so … (ersparen Sie mir den passenden Ausdruck). Danksagung Der Autor dieses Artikels möchte August Raggam, Ver- fasser des Buches „Klimawandel – Stopp und Umkehr“, dbv Verlag, März 2019, ISBN: 978-3-7041-0726-8, für die Anregung zu diesen Gedanken und wertvolle Diskussio- nen zum Thema danken. Photosynthese als CCS 1 -Technologie In der Erdatmosphäre befinden sich etwa 3.000 Giga- tonnen CO 2 2 , dies entspricht etwa 800 Gt Kohlenstoff 3 – also nur etwa einem Tausendstel Prozent der globalen Menge. Die Netto-Sommeraufnahme in der Nordhalb- kugel beträgt ~7 ppm CO 2 , also ca. 50 Gt CO 2 . In dieser Zeit (vier Monate) betragen die fossilen Emissionen ~12 Gt CO 2 , 37 Gt CO 2 ist die jährliche fossile Gesamtmenge an Emissionen. Daher beträgt die photosynthetische Gesamtaufnahme im Sommer 17 Gt Kohlenstoff oder ~62 Gt CO 2 . In den verbleibenden acht Monaten wird ein großer Teil durch Atmung in die Atmosphäre zurückgeführt. Dies ist unvermeidlich, weil Pflanzen/ Böden am Leben bleiben (~30 Gt CO 2 aus der biologi- schen Veratmung) und zusätzlich 25 Gt CO 2 aus fossilen Quellen freigesetzt werden. Weitere CO 2 -Ströme sind Emissionen aus Vulkanen (0,1 Gt/a 4 ) und die Absorp- tion in den Meeren. Diese ändern aber nichts an den grundsätzlichen Überlegungen zu den Eingriffen des Menschen in die Kohlestoffzyklen. Eine jährliche CO 2 -Entfernung aus der Atmosphäre von 62 Gt - dies ist eine Menge, von der technische CCS-Ver- fahren noch meilenweit entfernt sind. Photosynthese ist seit Millionen von Jahren erprobt und funktioniert auf praktisch allen Kontinenten der Welt bei geringen Investitionskosten. Photosynthese ist aber erst eine CC-technologie (Car- bon Capture) und noch keine CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage). Will man eine Speichertechno- logie auf Basis von Photosynthese entwickeln, muss dieses Freisetzen teilweise unterbunden werden. In der frühen Erdgeschichte geschah dies hautsächlich durch den Aufbau von Kohlelagern und Humus. Gasförmiges CO 2 wurde nie dauerhaft eingelagert. Ein mittelfristiges Absenken der globalen CO 2 -Konzen- tration in der Erdatmosphäre erfordert daher • den Einsatz von solaren Techniken zum Vermeiden der Emissionen fossilen Kohlenstoffes, • ein Erhöhen der globalen Photosyntheseleistung durch eine Rücknahme versiegelter und degenerierter Flächen und Begrünungen in der dritten Dimension (Gebäude, Innenräume, …) • ein vermehrtes langfristiges Speichern eines Teiles des durch Photosynthese gebundenen Kohlen- stoffes in Infrastruktur, Böden und eventuell sogar Holzkohlelagern. Hans Schnitzer, a.o. Univ.-Prof. an der TU Graz i. R., Mitglied des wissenschaftlich-strategischen Beirates und des Vorstandes von AEE INTEC, Vorstand des wissenschaftlichen Vereines StadtLABOR. LEITARTIKEL 5 4
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